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Interview mit Paul Becker, Präsident des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie, und Sébastien Soriano, Generaldirektor des Institut national de l'information géographique et forestière

24.10.2025 - Artikel
Sébastien Soriano und Paul Becker am 15. Juli in Mainz 
Sébastien Soriano und Paul Becker am 15. Juli in Mainz © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

Woher kam die Idee eines Partnerschaftsabkommens mit Ihrem Partner?

Sébastien Soriano: Das IGN und das BKG sind seit Langem im internationalen Netzwerk EuroGeographics engagiert. Als Mitglieder dieser Vereinigung setzen wir uns für die Erstellung harmonisierter großmaßstäblicher und grenzüberschreitender europäischer Referenzdaten auf Basis nationaler Daten ein. Wir wollen damit die öffentliche Politik in Europa unterstützen. Über diese Zusammenarbeit hinaus haben wir eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut, die durch regelmäßigen Austausch zwischen Paul Becker, mir selbst und unseren jeweiligen Teams gepflegt wird.

Paul Becker: Wir haben einmal im Jahr eine Besprechung mit unserem französischen Partnerinstitut IGN, die abwechselnd in Frankreich und Deutschland stattfindet. Bei einem dieser Treffen hatten wir das Thema Digitaler Zwilling Deutschland diskutiert. Dabei stellten wir fest, dass es in Frankreich ähnliche Überlegungen gibt. Da viele Fragestellungen grenzüberschreitend sind, entstand sofort die Idee, die beiden Zwillinge miteinander zu verbinden.

Was erwarten Sie von dieser Zusammenarbeit mit dem IGN?

Sébastien Soriano: Das Memorandum of Understanding, das unsere Partnerschaft mit dem BKG regelt, ist ein konkreter Schritt zur Entwicklung des Kerns eines europäischen digitalen Zwillings. Um die digitale Souveränität zu stärken und unsere nationalen Projekte in eine kollektive Dynamik einzubetten, werden unsere Institute ihre Anstrengungen bündeln. . Unsere Partnerschaft soll es uns außerdem ermöglichen, Arbeiten und sogar technologische Fortschritte zu teilen, die für unsere jeweiligen Projekte nützlich sind. Damit steht dieses Abkommen im Dienst nachhaltiger und interoperabler digitaler Gemeingüter.

Paul Becker: Wir wollen regionale Anwendungsfälle, die für beide Seiten von Interesse sind, bearbeiten. Da gibt es sicher viele anregende Themengebiete. Zurzeit interessieren wir uns u.a. für die Land- und Forstwirtschaft, insbesondere für die Auswirkungen des Klimawandels und die Ausbreitung von Schädlingen. Zudem wollen wir auch voneinander lernen: das Auswerten von großen Datenmengen mittels KI öffnet neue Perspektiven. Auch ein gegenseitiger Austausch von Personal ist denkbar.

Haben Sie persönliche Erfahrungen mit Frankreich? Können Sie uns eine Anekdote schildern?

Sébastien Soriano: Mein Vater verließ Peru, wo er wegen seiner politischen Aktivitäten in den 1960er Jahren gesucht wurde. Er wurde in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) von der Kommunistischen Partei aufgenommen. Er konnte sein Studium an der Universität Leipzig, die damals Karl-Marx-Universität hieß, fortsetzen, bevor er nach Frankreich ging. Viele Jahre später hatte ich im Rahmen eines bilateralen Treffens mit dem BKG die Gelegenheit, dieselbe Universität zu besuchen, wodurch ich den Ort entdecken konnte, der einen entscheidenden Meilenstein im Leben meines Vaters markiert hatte.

Paul Becker: Als ich jung war, machte ich oft in Frankreich Urlaub. Auf einer dieser Reisen ging mein Renault R5 kaputt. Bei der anstehenden Reparatur in einer kleinen Werkstatt in der Bretagne hatte ich große Mühe, dem KfZ-Mechaniker den Schaden mit Händen und Füßen zu erklären. Mein Französisch war damals sehr schlecht. Der Fachmann arbeitete auch nach Feierabend. Ich war ihm dafür sehr dankbar. Als er schließlich um 21 Uhr fertig war, fragte ich mit Hilfe des Wörterbuchs: „Combien ça coûte?“ Der Monteur lachte und sagte : « C'est la seule chose qu'il peut dire. » Seitdem versuche ich mein Französisch zu verbessern, mit mäßigem Erfolg.

Wie wird die Zusammenarbeit konkret ablaufen?

Paul Becker: Wir werden gemeinsam ein Arbeitsprogramm definieren und in Frankreich und Deutschland Experten aussuchen, die in kleinen Teams die jeweiligen Fragestellungen bearbeiten. Dieses Vorhaben ist sehr anspruchsvoll! Bei unserem jährlichen Austausch soll dann der Fortschritt bewertet und ggf. nachgesteuert werden. Besonders interessiert uns dabei die Forstwirtschaft. Wir werden hierzu auf deutscher Seite noch befreundete Institute hinzuziehen, da die Zuständigkeiten in diesem Bereich in Deutschland etwas anders geregelt sind als in Frankreich.

Sébastien Soriano: Im Bereich der Forstwirtschaft beginnen die Arbeiten mit der Identifizierung eines oder mehrerer Untersuchungsgebiete, in denen ein Benchmarking bestehender Technologien durchgeführt wird. So können einzelne Bäume mithilfe hochdichter luftgestützter LiDAR-Aufnahmen lokalisiert und abgegrenzt werden. Anschließend wird eine Verarbeitungsmethode entwickelt und skaliert, die das Beste aus den vorhandenen Technologien herausholt. Parallel dazu wird ein deutsch-französisches Konsortium, das sich auf forschungsorientierte öffentliche Einrichtungen stützt, Methoden zur Modellierung und Simulation epidemischer Ausbreitung entwickeln. Somit wollen wir die forstwissenschaftliche Forschung voranbringen und gleichzeitig ein praxisnahes Werkzeug für Forstverwalter bereitstellen.

Können Sie die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen IGN und BKG erläutern?

Sébastien Soriano: Das BKG und das IGN teilen eine breite Basis an Aktivitäten und stehen vor denselben Herausforderungen, denen sie mit konvergierenden Projekten begegnen: unter anderem handelt es sich um die Erfassung von LiDAR-Daten, die Entwicklung digitaler Zwillinge und den Einsatz künstlicher Intelligenz. Das Bestreben, eine europäische Vision in diesen Bereichen zu vertreten, hat unsere Annäherung auf natürliche Weise verstärkt. Einige Unterschiede müssen wir wahrnehmen: Der wichtigste liegt in der institutionellen Ausrichtung unserer Behörden. Das BKG handelt als Bundesbehörde in Abstimmung mit den Landesvermessungseinrichtungen der Länder und gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Das IGN hingegen ist eine nationale Behörde unter der Doppelaufsicht der Ministerien für nachhaltige Entwicklung und Forstwirtschaft und richtet sein Handeln vorrangig auf Umweltfragen aus, wobei es auch mit Gebietskörperschaften zusammenarbeitet.

Paul Becker: Natürlich gibt es zwischen den Einrichtungen Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten. Beide arbeiten mit Geoinformationen; auch Landkarten in verschiedenen Formen sind ein Thema. Beide Einrichtungen arbeiten intensiv an den Themen Digitale Zwillinge und künstliche Intelligenz. Daher ist der Ausbau der Zusammenarbeit auch so spannend. Darüber hinaus hat das IGN Zuständigkeiten im Bereich der Forstwirtschaft, diese gibt es im BKG in der Form nicht. Das BKG ist hingegen explizit eine Sicherheitsbehörde. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass es mit seinem Observatorium in Wettzell Grundlageninformationen für Satellitennavigation bereitstellt.

Planen Sie gemeinsame Tätigkeiten vor Ort?

Sébastien Soriano und Paul Becker: Als erstes Ziel für möglichen Aktivitäten sehen wir das Abgleichen der Ergebnisse der Simulationen mit der Realität vor Ort, um die wissenschaftlichen Modelle zu kalibrieren. Außerdem wäre gerade hier die Einbindung der Forstverwalter, die über das Wissen zu ihren Wäldern und deren Herausforderungen verfügen, unerlässlich.

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